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Das Problem mit der Religion (de)

  • bschult3
  • 2. Juli 2024
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 21. Dez. 2024

Jede Religion hat ein einfaches, aber zentrales Problem: das Festhalten an begrifflichen Wahrheiten und Konzepten.


Egal wie vermeintlich frei und weltoffen eine Religion sich geben mag, selbst Religionen, wie Buddhismus oder Bahaii haben in ihrem Kern festgeschriebene Überzeugungen. Diese Überzeugungen machen eine Religion aus. Eine Religion ohne Konzepte wäre inhaltslos, könnte nicht definiert oder von anderen Religionen abgegrenzt werden und würde somit weder als Religion erkennbar sein, noch ein Identitätsgefühl spenden. Sie wäre eben keine Religion.


Das Problem ist nun aber, dass eben jede festgelegte Überzeugung der Ausdruck eines Misstrauens ist gegenüber den einzelnen Menschen und ihrer Fähigkeit die Wahrheit selbst zu erkennen. Würde eine Religion in den Menschen vertrauen, könnte sie einfach sagen: "Scheiß auf unsere Konzepte, finde selbst heraus, wer du bist, was du hier sollst und was Gott ist."

Das wäre ein Ausdruck von Vertrauen in den Menschen. Macht aber keine Religion.


In dem Maße in dem eine Religion also an festen Glaubensvorschriften und -konzepten festhält (und das muss jede Religion zu einem Mindestmaß, um überhaupt Religion sein zu können), in dem Maße ist sie unmenschlich und unspirituell. Sie glaubt genau im Maße ihrer Konzepte nicht an das intrinsisch Gute und Fähige im Menschen und damit auch nicht an das Gute in der Welt oder in Gott. Genau diese Gewissheit des Guten in der Welt und der Gutheit Gottes wäre aber die Essenz jeglicher religiöser Spiritualität. Eine Religion, die die Welt und das Leben als unveränderlich schlecht ansieht, würde nur in den Suizid ihrer Anhänger und damit schnell in die eigene Auflösung führen. Der Kern jeder Religion und Spiritualität muss also diese Lebensbejahung, bzw. göttliche Sinnhaftigkeit der gesamten Existenz, sein.

(Manche sagen auch: Der Kern jeder Religion ist Hoffnung. Hoffnung setzt aber eben Nicht-Einsicht voraus. Wer Gott erkannt hat braucht nicht mehr hoffen. Hoffnung ist daher eigentlich unspirituell. Dass sich Religionen durch Hoffnung auszeichnen, passt also zu ihrer Unspiritualität.)


Ein wirklich spiritueller Mensch würde niemals auf bestimmte Konzepte bestehen. Er würde (religiöse) Konzepte als das erkennen, was sie sind: Metaphern für die eigentliche (mystische) Erfahrung, welche jenseits der Konzepte liegt.

Da Konzepte nichts als Metaphern sind, können sie flexibel eingesetzt werden. Sie haben keine inhärente Bedeutung. Ob wir das Wort Gott, Allah, Jahwe, Brahman, Manitou, Kosmos oder Dao verwenden spielt absolut keine Rolle, solange wir uns einig darüber sind, wovon wir reden, solange wir die gleiche Erfahrung teilen.

Die Schwierigkeit hier ist, dass es sich bei der Erfahrung Gottes nicht um eine Alltagserfahrung, wie das Sehen eines Baumes handelt. Die Erfahrung Gottes haben weit weniger Menschen gemacht, als die Erfahrungen, über die wir ansonsten mit unserer Sprache wunderbar kommunizieren können (oder zumindest denken sie das).

Wer die Erfahrung Gottes gemacht hat, wird die Beliebigkeit der Begriffe sofort bestätigen. Wer sie nicht gemacht hat, dem kann man diese Erfahrung mit keinem Wort der Welt geben. Erfahrung lässt sich nicht durch Sprache übertragen.

Wer nie eine Durianfrucht gegessen hat, kann nicht wissen, wie Durianfrüchte schmecken, egal wie gut man versucht es ihm zu erklären. Wenn er sie aber isst, wird er sofort verstehen, was mit den Begriffen, mit denen man versucht hat ihm den Geschmack zu erklären, gemeint war.

Genauso verhält es sich mit der mystischen Erfahrung. Wer sie erlebt hat, der weiß, was mit Begriffen, wie Gott, Liebe, volle Leere, leere Fülle, Dao oder Raum- & Zeitlosigkeit gemeint ist. Wer sie nicht erlebt hat, der weiß es nicht.


Wer nun bestimmte Begriffe festzurrt, um daraus eine Religion zu bilden, hat diese Erfahrung offenbar nicht gemacht. Er traut den Menschen nicht zu, den eigenen Weg zu dieser Erkenntnis gehen zu können.


Es zeigt sich also, dass eine Religion das Gegenteil dessen ist, was sie vorgibt zu sein! Sie gibt den Anschein der Spiritualität, der Gottlichkeit, der Menschenliebe und ist dabei nichts als der Ausdruck des Uneingeweitseins ihrer Befürworter in das Geheimnis des Lebens, ein Ausdruck des Misstrauens in sich selbst und in seine Mitmenschen. Wer an eine Religion glaubt, der sagt sich eigentlich nichts anderes als: "Ich glaube nicht, dass ich je selbst zur wahren Erkenntnis kommen werde. Also glaube ich lieber den Leuten, die behaupten die Wahrheit zu kennen. Ich glaube lieber, was andere um mich herum glauben. Dann liege ich zumindest nicht alleine falsch." Wer an eine Religion glaubt, glaubt nicht an sich selbst, nicht an seine eigene Fähigkeit zur Erkenntnis der Wahrheit/Gottes. Würde er es tun, so bräuchte er sich nicht an Konzepten festhalten, sich nicht mit ihnen identifizieren. Ja, es wäre sogar absolut kontraintuitiv, da derjenige ja wüsste, dass dieser Glaube an Konzepte so lange ein blinder Glaube wäre, bis er die Erkenntnis selbst erlangt hat, an welchem Punkt die fremden Konzepte wiederum irrelevant würden. Wer Gott getroffen hat, dem ist egal, wie man ihn nennt.


Jede Religion ist also notwendigerweise fundamental unspirituell und menschenfeindlich. Und damit meine ich wirklich jede Religion! Christentum, Islam, Hinduismus, Daoismus, Buddhismus, Jainismus, indigene Glaubenskonzepte, usw. Alle Religionen und ihre unterschiedlichen Begrifflichkeiten werden irrelevant mit der Erkenntnis dessen, was hinter den Konzepten liegt. All diese Gotteskonzepte und -beschreibungen werden mit der Erfahrung der Unbeschreibbarkeit Gottes ad absurdum geführt.


Jede Religion (und jede Ideologie) sind verschleiertes, kristallisiertes Misstrauen in den Menschen.


Gelebte Konzeptlosigkeit, die persönliche Toleranz von Ungewissheit, Paradoxität und Uneindeutigkeit, sowie die hurmorvoll-flexible Freiheit im Umgang mit Begriffen sind Anzeichen wahrer Spiritualität, wahrer Erkenntnis.


Oder vielleicht sind sie es auch nicht.

Finde es für dich selbst heraus.




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